Ich, Ich

In der Videoperformance Ich, Ich zeigt die Projektion den Künstler, der rückseitig eine dreidimensionale Nachbildung seiner Selbst mit Klebeband fixiert hat. Zu sehen sind verschiedene Bewegungsabläufe, in denen sich der Akteur bisweilen in erheblichem Ungleichgewicht befindet. Der Film überblendet in eine abgewandelte Textzeile von Pjotr Stepanowitsch in Die Dämonen von Dostojewski: »Töten, ohne jede Ursache, nur zur Erkennung des eigenen Selbst. Denn das ist der alles entscheidende Punkt des eigenen Willens, sich selbst zu töten, ohne jede Ursache.« Die lebensgroße Puppe aus dem Film liegt mit dem Kopf in Richtung Projektion auf dem Boden.

Ich, Ich | Wandprojektion, Schaumstoff, Styropor, Latex, Baumwollstoff, Hemd, Jeans, Stoffhandschuhe, Turnschuhe, 2:23, Loop

Artist Statement:

Die Arbeit wurde nur wenige Tage nach dem Anschlag auf das World Trade Center im U-Bahnhof Bundestag gezeigt. Die im Lichtschein der Projektion liegende Puppe flösste den Besucher:innen sichtlich Respekt ein. Kaum jemand näherte sich ihr so weit, dass der Kopf, der lediglich durch ein aufgenähtes Foto realisiert war, für sie zu erkennen gewesen wäre. Nur ein Mal habe ich beobachtet, wie ein Mann in den Lichtschein trat, sich bückte und die Puppe berührte. Seine Begleiterin erklärte mir, der Mann sei blind.
Im Laufe unseres Lebens treffen wir immer wieder Entscheidungen, nehmen zufällig oder bewusst Abzweigungen, die den Fortgang entscheidend beein­flussen. Wir lassen mögliche Leben hinter uns. Man muss nicht auf das atomistische Modell der Antike zurückgehen, um auf den Gedanken zu kommen, dass wir vielleicht gar nicht in nur einem Universum leben. Tragen wir dieses andere Ich noch mit uns? Löschen wir diverse weitere Formen unseres Selbst aus?


Fraktale III, Rohbau U-Bahnhof Bundestag Berlin: Stefan Berchtold, Jonas Burgert, Matthias Deumlich, Birgit Dieker, Bernhard Draz, Rainer Görß, Jörg Herold, Anja Ibsch, Ingolf Keiner, Markus Krieger, Götz Rogge, Peter Scior, Jan-Peter E.R. Sonntag, Thorsten Streichardt